Von wildem Wein umrankt
Fast könnte man meinen, es sei das Portal einer ehrwürdigen Kirche, wären da nicht die goldfarbene Aufschrift “Postamt 13” und das Posthorn in der Bleiverglasung. Die sakrale Ähnlichkeit ist nicht zufällig. Unter Wilhelm II. als Tempel des Fortschritts erbaut, beinhaltete das Gebäude doch feinstes Hightech im damals größten Fernsprechamt der Welt!

Telefonistinnen im Zentralfernsprechamt ©Andreas Heller Architects & Designers (AHAD)
Für die Hamburger war es später einfach das “Fermeldeamt” und danach das distinguierte “Postamt Hamburg 13”. Auch der erste Hamburger Rundfunksender, die Nordische Rundfunk AG (NORAG), eine Vorläuferin des NDR, hatte 1924 hier seine Geburtsstunde. Natürlich mit Konzertsaal für Liveübertragungen! Nach 2003 fiel das schöne Haus über Turbulenzen in der Finanzwelt in einen Dornröschenschlaf.
Objekt der Begierde und Sinnbild für ganz Rotherbaum war es von Anfang an. Aber genug der schönen Worte, Sie sollen es ja nicht kaufen ;). Ans “Wachküssen” herangetraut hat sich 2016 die findige und professionell gemanagte Peakside Capital für Ihren Immobilienfond PREF II. Es sieht ganz danach aus, als sei ihr diese durchaus gewagte Wiederbelebung gelungen. Die Prinzessin ist, zumindest auf dem Papier, zu unser aller Augenweide erwacht.
Die Prinzessin ist erwacht
Für die Erweiterung des Campus Von-Melle-Park soll das ehemalige Fernmeldeamt das Zentrum für Geistes- und Sozialwissenschaften werden. Zur architektonischen Umsetzung ist das versierte Architekturbüro Andreas Heller Architects & Designers beauftragt.

Pressekonferenz im FERNSAAL des alten Fernmeldeamtes. Von links: Kay Gätgens (Bezirksamtsleiter Eimsbüttel), Prof. Amrita Narlikar (Präsidentin des GIGA), Dr. Andreas Dressel (Finanz- und Bezirkssenator), Katharina Fegebank (Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung), Prof. Dieter Lenzen (Präsident der Universität Hamburg), Prof. Klaus Tochtermann (Direktor des ZBW) und Boris Schran (Geschäftsführender Gesellschafter der Peakside Capital Advisors AG) Foto: philipp
Anfang des Jahres wurde das Konzept von prominenter Seite ganz oben im FERNSAAL des Hauses vorgestellt. Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank sagte, sie freue sich darüber, dass mit dem Umzug der derzeit am Neuen Jungfernstieg ansässigen Institute GIGA und ZBW, sowie dem Humanities Research Center der Uni Hamburg an diesem historischen Ort nun ein Wissenschafts- und Informationsstandort entstünde. Der Campus Von-Melle-Park entwickle sich damit weiter. Durch eine Bibliothek, ein Café und einen überdachten Innenhof soll hier auch ein Begegnungsort für die Öffentlichkeit entstehen.
Finanzsenator Dr. Andreas Dressel betonte, man habe für das Gebäude “10 Jahre auf der Lauer gelegen”. Der Senat habe sich entschlossen, den Standort sicherzustellen. Dazu werden knapp 364 Mio für einen 30-jährigen Mietvertrag und gut 18 Mio EUR für Einbauten, Projektsteuerung und Einrichtung investiert.
Universitätspräsident Prof. Dieter Lenzen freute sich darüber, dass man für seine “Flagship University” ein neues Cluster habe einwerben können. Das würde viele neue Menschen anziehen. Bis 2023 solle der Umbau fertig sein.
Bezirksamtsleiter Kay Gätgens hob hervor, dass nun eine Vision von vor 20 Jahren Wirklichkeit würde. Die Verhandlungen mit dem jetzigen Vermieter hätten drei Jahre gedauert.

Lageplan des neuen Zentrums für Geistes- und Sozialwissenschaften im Campus Von-Melle-Park ©Andreas Heller Architects & Designers
Auswirkungen auf das Viertel
Doch wie wirkt sich das auf das Grindelviertel aus, in dem das Haus steht? Zunächst natürlich wird es Behinderungen durch Baumaßnahmen geben. Denn auf dem Grundstück soll der unscheinbare Anbau des Gebäudes in der Binderstraße abgerissen und kontrastreich durch einen Neubau mit aufstrebender Glasfassade ersetzt werden. Zusätzlich werden rund 2000 m² neue Flächen entstehen. Das Innere des Altbaus wird saniert und umfangreich umgestaltet. Am Ende der Maßnahmen soll das Gebäude weiterhin als verwunschene Erscheinung in neuem Glanz erstrahlen. So der ehrgeizige Plan der Architekten.

So soll das neue Zentrum für Geistes- und Sozialwissenschaften aussehen ©Andreas Heller Architects & Designers (AHAD)
Auf das Postamt mit seinem im Viertel letzten Cash-Group-Geldautomaten von mir angesprochen sagte Architekt Andreas Heller, dass dieses erhalten bliebe. Allerdings solle es in den Nordflügel des Hauses Ecke Bieberstraße/Schlüterstraße umziehen. Ob der Geldautomat nach Zeiten von Corona noch gebraucht wird, steht derzeit freilich in den Sternen.
Postamt mit Geldautomat soll bleiben
Eine Durchfahrt wie jetzt an der Binderstraße zum Abaton-Parkplatz ist im Glas-Neubau nicht vorgesehen. Fürs Abaton dürfte damit der Parkplatz auf dem ehemals vom Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation der Uni genutzten Grundstück Binderstraße 34 wegfallen.
Dieses Grundstück mit geräumigem Gebäude liegt versteckt hinter dem Fernmeldeamt an der Gedenkstätte Bornplatz-Synagoge und der prosperierenden Joseph-Carlebach-Schule. Zu Beginn dieses Jahres wurde es von der Stadt für 60 Jahre kostenlos zu einem kalkulierten Erbbauzins von rund 5,23 Millionen Euro der jüdische Gemeinde überlassen. Die Gemeinde soll etwas 2.400 Mitglieder groß sein.
Eine der Visionen Hellers ist das Fortführen der jetzigen Sackgasse Binderstraße bis zum Allende-Platz (im o.g. Lageplan mitte/links leicht hervorgehoben). Derzeit versperrt allerdings ein Uni-Gebäude den charmanten Ansatz. Dabei könnte die Binderstraße z.B. als Geh- und Fahrradstraße geöffnet und damit in den Campus integriert werden. Für die Grindelaner würde sich wieder der schöne “alte Weg” zur Alster öffnen.

Ein breiter Boulevard vor dem Abaton-Kino und der Pony Bar soll den Campus attraktiv an den Grindelhof anbinden ©Mertins Landschaftsarchitektur
Boulevard am Allende-Platz
Auch der Allende-Platz soll umgestaltet werden. Die Pläne dazu stellte das Baudezernat Eimsbüttel Ende Februar den Grindelbewohnern vor. Im Grunde soll durch einen verbreiterten Boulevard vor Pony Bar und Abaton-Kino der Campus attraktiver an den Grindelhof “herangezogen” werden. So zumindest der Plan der Landschaftsarchitekten Mertins. Baubeginn soll aber erst nach dem diesjährigen Christgrindelmarkt Anfang 2021 sein. Der Glühwein in diesem Jahr ist also sichergestellt. Alles Gute für Sie!
Schöne Ostern aus der Grindelallee, Ihr Wolfgang Philipp